Borreliose SHG Kassel Stadt und Land FAQ (häufig gestellte Fragen)

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Antwort

Fragen zur Borreliose in der Schwangerschaft

Ich möchte versuchen (soweit dies aus den publizierten Daten möglich ist) zu einigen Fragen zum Thema "Borreliose und Schwangerschaft" Stellung zu nehmen.Ist eine Borreliose auf das ungeborene Kind übertragbar (vertikale Transmission)?

Ja, die Borreliose ist auf das ungeborene Kind übertragbar. Es gibt allerdings nur wenige Fallberichte (vorwiegend aus den 80er Jahren), die eine Übertragung beschreiben. In der gesamten medizinischen Literatur sind es nur ca. 50 Fälle (z.B. Schlesinger et al. 1985; MacDonald 1987,1989; Weber et al. 1988)
Wie häufig ist diese vertikale Transmission auf das Ungeborene?

Diese Frage lässt sich momentan nur schwer beantworten. Ich bin der Meinung, dass es sich insgesamt um ein sehr seltenes Ereignis handelt. Bei den o.g. Fällen handelt es sich überwiegend um akute Infektionen, die damals nicht antibiotisch behandelt wurden.
Systematische Untersuchungen erbrachten bisher keinen signifikanten Zusammenhang zwischen einer Borrelieninfektion und Auffälligkeiten beim Neugeboren (z.B. Nadal et al. 1989 ; Bracero et al. 1992; Strobino et al. 1993,1999, Williams et al. 1995 ; Gerber und Zalmeraitis 1994). Allerdings benötigt für solche Auswertungen auch große Fallzahlen.
Eine weitere Tatsache, die annehmen lässt, dass es sich um ein seltenes Ereignis handelt ist, die Häufigkeit der Erkrankung auch in der Schwangerschaft (Schätzungsweise erkranken in Deutschland jährlich zwischen 20 - 100 000 Personen an Borreliose, das wären dann auch ca. 1000 Schwangere pro Jahr). Trotz dieser Häufigkeit wurden in den letzten Jahren praktisch keine neuen Fälle publiziert.
Die Fälle, die wir im Labor von Frau Prof. Enders in Stuttgart überblicken, hatten bisher alle einen guten Ausgang ohne die Zeichen einer pränatalen Infektion. (è siehe Kurzfassung!)
Ich bin deshalb der Meinung, dass eine stadiengerecht behandelte Borreliose in der Regel einen guten Ausgang hat. Dieser Meinung sind auch andere Autoren, die sich mit diesem Thema befasst haben (z.B. Silver 1997).
Macht es einen Unterschied, ob es sich um eine akute oder chronische Borreliose handelt?

Mit hoher Wahrscheinlichkeit: Ja. Das Übertragungsrisiko ist bei einer akuten Borreliose höher als bei einer chronischen Infektion. Bei einer chronischen Infektion haben sich die Borrelien in einer „Nische" des Körpers niedergelassen. Das Immunsystem wehrt sich gegen die Borrelien, was ihm nur teilweise gelingt. Trotzdem sind deshalb im Blut praktisch gar keine Borrelien mehr zu finden. Im Gegensatz dazu tritt bei einer akuten Borreliose wahrscheilich häufig eine Bakteriämie (Bakterien befinden sich im Blut) auf. Diese äußert durch Symptome wie Kopf-, Gliederschmerzen, Nachtschweiß, subfebrile Temperaturen („erhöhte Temperatur"). Hierbei kann es dann auch zur (vorübergehenden) Infektion von Gebärmutter und Mutterkuchen kommen. Im Tierversuch an Mäusen (Silver et al. 1995) konnte gezeigt werden, dass eine Infektion vor der Konzeption nicht zu einer erhöhten Abortrate führt, wohl aber eine Infektion innerhalb der Frühschwangerschaft.
Welche kindlichen Auffälligkeiten sind im Rahmen einer mütterlichen Borreliose in der Schwangerschaft beschrieben?

Bevor ich mit der Aufzählung beginne, möchte ich noch einmal betonen, dass diese Daten auf nur ca. 50 in der Literatur beschrieben Fälle basieren, es sich also um seltene Ereignisse handelt:
Beschrieben ist eine erhöhte Sterblichkeit des Ungeborenen im Mutterleib und um die Geburt.
Am häufigsten werden Auffälligkeiten des Herzens (ca. 25%), des Nervensystems (ca. 15%), des Bewegungsapparates (ca. 12%) und der Haut (ca. 9%) beschrieben. Darüber hinaus werden Lebervergrößerung und erhöhte Leberwerte beschrieben. Ein einheitliches Missbildungssyndrom gibt es nicht.

Gibt es Unterschiede bei der Behandlung, wenn eine Borreliose in der Schwangerschaft auftritt?

Ja und Nein. Wichtig ist zunächst einmal, dass die Infektion möglichst früh erkannt wird. Von großer Bedeutung ist hier eine gründliche körperliche Untersuchung und die Anamnese (Befragung) durch den Arzt. Laboruntersuchungen sind hilfreich, können aber vor allem im Frühstadium noch unauffällig sein. Es sollte dann rasch eine stadiengerechte (antibiotische!) Therapie durchgeführt werden. Natürlich dürfen nur Medikamente verwendet werden, die in der Schwangerschaft zugelassen sind.
Akute Infektionen, die auf die Haut beschränkt sind (Erythema migrans und Lymphozytom) können nach Meinung der Mehrheit der Autoren mit Tabletten (z.B. Amoxicillin) behandelt werden. Treten im Rahmen einer akuten Infektion zusätzlich noch die o.g. Allgemeinsymptome auf, wird wie auch bei allen anderen Erkrankungsstadien eine Behandlung mit Infusionen (z.B. Ceftriaxon) empfohlen.

Was ist bei einem Zeckenstich in der Schwangerschaft zu tun?

Die wichtigste Massnahme bei jedem Zeckenstich ist die rasche Entfernung der Zecke, ohne diese zu sehr zu quetschen (Meine Meinung ist, dass man in Ausnahmefällen die Zecke lieber einmal mit den (langen!) Fingernägeln entfernt, als 12 Stunden auf eine fachgerechte Entfernung zu warten.).
Da in der Schwangerschaft aus o.g. Gründen eine frühzeitige Therapie von großer Bedeutung sein kann, muss im Falle eines Zeckenstiches in der Schwangerschaft auch über eine prophylaktische Antibiotikatherapie nachgedacht werden. Für die Entscheidung ob eine solche Therapie sinnvoll ist, ist die Untersuchung der entfernten Zecke auf eine Infektion mit Borrelien hilfreich. Zusätzlich ist auch die Anhaftdauer ein weiteres Entscheidungskriterium. Ist die Zecke mit Borrelien infiziert und länger anhaftend so kann eine Prophylaxe z.B. mit Amoxicillin erwogen werden. Es muss hier jedoch betont werden, dass es zur Prophylaxe mit Amoxicillin keine veröffentlichte Daten gibt. Daten gibt es nur für Doxycyclin und da scheint eine Prophylaxe die Rate der Infektionen doch deutlich zu senken (Nadelman et al. 2001). Doxycyclin kommt jedoch bei einer evtl. Schwangerschaft nicht in Frage.

Gibt es sinnvolle zusätzliche Untersuchungen?



Bei Infektionen in der Frühschwangerschaft ist eine differenzierte Ultraschalluntersuchung sinnvoll.

Eine Untersuchung des Fruchtwassers, wie sie bei anderen Infektionen teilweise üblich ist, kann momentan nicht generell empfohlen werden, da diese Fruchtwasseruntersuchung wahrscheinlich nicht sehr empfindlich ist. In Einzelfällen, vor allem wenn aus anderen Gründen sowieso Fruchtwasser entnommen wird, kann diese Untersuchung jedoch von einem erfahrenen Labor durchgeführt werden.
Lag eine Borreliose in der Schwangerschaft vor, so sollte bei Entbindung Blut aus der Nabelschur zusammen mit mütterlichem Blut untersucht werden.
Ist das Neugeborene bei Geburt auffällig so kann zusätzlich ein Stück des Mutterkuchens untersucht werden.
Die Diagnose Borreliose in der Schwangerschaft sollte, auch bei unauffälligem Neugeborenen dem Kinderarzt mitgeteilt werden. In jedem Fall sollte beim Neugeborenen von Müttern mit Verdacht auf akute Borreliose in der Schwangerschaft eine weitere Blutuntersuchung im 6./7. Lebensmonat erfolgen. Bei negativem Antikörper-Befund kann dann mit hoher Sicherheit eine intrauterin erfolgt Borrelieninfektion ausgeschlossen werden. Dies ist besonders bei Neugeborenen mit evtl. Auffälligkeiten wichtig.

Kann die Borreliose durch Stillen übertragen werden?
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Bisher ist kein Fall einer Übertragung durch die Muttermilch beschrieben. Es gibt eine Arbeit, in der in der Muttermilch von zwei stillenden Müttern mit Erythema migrans Borrelien DNA (Erbsubstanz der Borrelien) mittels PCR (empfindliches Verfahren zum Nachweis von Erbsubstanz) gefunden wurde (Schmidt et al. 1995). Hier ist es zunächst unklar, ob es sich um „lebende" Bakterien handelt oder nur um Fragmente. Akzeptierte Übertragungswege ist bisher nur der Stich einer Zecke und eventuell selten auch der Stich von Insekten (Stechmücken, Pferdefliegen).
Borrelien sind im Gegensatz zu vielen anderen Bakterien sehr anspruchsvoll. Sie werden ein Passage im Magen nicht überleben. Deshalb würde das Verschlucken einer infizierten Zecke sicher nicht zu einer Borrelieninfektion führen. Theoretisch wäre noch eine Übertragung über die Mundschleimhaut konstruierbar. Ich persönlich halte das jedoch für sehr unwahrscheinlich.
Ein anderes Problem des Stillens ist evtl. die notwendige mütterliche Antibiotikatherapie. Diese kann beim Säugling zu Durchfällen führen, da die Wirkstoffe in unterschiedlichem Maße mit der Muttermilch an den Säugling verfüttert werden. Das Stillen darf jedoch nicht von einer notwendigen Antibiotikatherapie der Mutter selbst abhalten.
Zusammenfassend ist meine persönliche Meinung, dass trotz Borreliose unter Therapie gestillt werden kann. Bei einem bereits mehrere Monate gestillten Säugling, kann jedoch eine notwendige Antibiotikatherapie zum Anlass genommen werden jetzt abzustillen.

Zusammenfassung:


Die Borrelioseinfektion in der Schwangerschaft muss rasch ausreichend antibiotisch behandelt werden, dann sind Komplikationen und Auffälligkeiten beim Neugeborenen nach jetzigem Kenntnisstand sehr selten.

Dr. med. Friedemann Tewald Prof. Dr. med. Gisela Enders

Labor Enders & Partner

Kurzfassung unserer Fälle:

Von 105 Müttern mit serologischem Hinweis auf floride Borrelieninfektion und von 56 Müttern mit serologisch neg. Befunden für Borrelien (IgG- und IgM-AK neg.), jedoch mit Angabe von Zeckenstich und/oder Borrelien-verdächtiger Symptomatik waren die Neugeborenen klinisch unauffällig, bis auf 1 Kind. Bei 60 dieser Neugeb. konnten keine Borrelien-IgG- oder IgM-Antikörper im Nabelschnurblut nachgewiesen werden und bei 45 Neugeb. waren nur IgG-AK nachweisbar, was für passive, von der Mutter stammende, Antikörper spricht. Bei 13 dieser Kinder wurden im Altern vom 2. bis 7. Lebensmonat weitere Blutproben untersucht. In diesen waren ab dem 3. Lebensmonat keine IgG-Antikörper mehr nachweisbar. Somit konnte eine intrauterin erfolgte Borrelieninfektion ausgeschlossen werden und eine evtl. kindliche Auffälligkeit wird nicht fälschlicherweise als Folge einer mütterl. Borrelieninfektion dargestellt.

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Ich bin in der 32. W schwanger. Habe innerhalb diesen Jahres 8 Zeckenbisse ohne auffällige Symtomatik einer Infektion gehabt. Wie ist hier der Handlungsbedarf und soll ich vorsorglich das Baby untersuchen lassen?

Nicht jeder Zeckenstich überträgt die Borreliose.
Ratsam wäre es allerdings, eine Blutuntersuchung auf Borreliose hin (Westernblot) durchführen zulassen.
Bei postitiven Befund und körperlichen Beschwerden wäre eine Therapie angesagt.
Am Besten die Problematik mit einem Arzt besprechen.
Brigitte Ringeler-Leipholz

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